Markus Belz Redaktionsleiter

Veröffentlicht am: 21.10.2025

Eine sitzende Person mit einem Jersey hält ein Smartphone in der Hand und tippt darauf.

Glücksspiel im Profifußball: Schattenseite eines Milliardengeschäfts

Lesezeit: ca. 8 min
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Das Wichtigste in Kürze:
  • Fußballprofis sind durch hohe Einkommen, viel Freizeit und permanente Verfügbarkeit von Wett-Apps besonders gefährdet, Spielsucht zu entwickeln.
  • Trotz strenger Verbote für Spieler profitiert der Fußball wirtschaftlich massiv von Wettindustrie-Werbung, was einen klaren Interessenkonflikt schafft.
  • Selbstregulierung in England greift kaum; echte Entkoppelung von Fußball und Glücksspiel erfordert politische Maßnahmen und Verantwortung der Institutionen.

Besonders die Enthüllungen um Sandro Tonali (Newcastle United), Nicolò Fagioli (Juventus Turin) und Ivan Benjamin Elijah Toney (Al-Ahli) haben das Thema Glücksspiel im Profifußball ins grelle Licht gerückt. Immer häufiger geraten Spieler wegen Wetten oder Spielsucht in die Schlagzeilen. All diese Fälle werfen Fragen auf und lassen erahnen, dass es hier nicht ausschließlich um individuelles Fehlverhalten geht, sondern um Verantwortung, Versuchung und ein System voller Widersprüche.

Fußballprofis und Sportwetten: Wie groß ist das Problem wirklich?

Viele Profifußballer halten ihr Wettverhalten aus Angst vor Sanktionen oder negativem Image geheim, weshalb belastbare Zahlen zum Problem kaum existieren. Fachleute gehen dennoch davon aus, dass die Dunkelziffer hoch ist.

Erfahrungsberichte von Spielern und Daten aus Beratungsstellen deuten darauf hin, dass Sportler besonders gefährdet sind, in ein riskantes Glücksspielmuster zu geraten. Faktoren wie hohes Einkommen in noch sehr jungen Jahren machen es leicht, dass harmloses Spielen schnell zu einer ernsthaften Abhängigkeit eskaliert.

  1. Höheres Risiko gegenüber der Gesamtbevölkerung: Untersuchungen der Professional Players’ Federation ergaben, dass vor allem männliche Profisportler in Großbritannien drei Mal so häufig an problembelastetem Spielverhalten leiden wie Männer im Durchschnitt.
  2. Steigende Nachfrage nach Hilfsangeboten: Die englische Spielergewerkschaft PFA meldet seit Jahren einen deutlichen Anstieg von Beratungsanfragen und Therapien rund um das Thema Wetten.
  3. Zahlreiche Enthüllungen und Sperren: Auch abseits der prominenten Fälle werden regelmäßig Spieler in unterschiedlichen Ligen aus dem Spielbetrieb genommen, weil sie gegen Wettregeln verstoßen.

Besondere Risikofaktoren für Profifußballer

Nicht jeder Fußballprofi entwickelt ein Suchtproblem, doch verschiedene Faktoren wirken wie ein Brandbeschleuniger und schaffen problematische Dynamiken im Alltag:

  • Überdurchschnittlich hohes Einkommen: Besonders junge Profis besitzen plötzlich Zugang zu erheblichen Geldbeträgen.
  • Viel Freizeit und Isolation: Zwischen den Verpflichtungen bleibt oft viel Zeit ohne sinnvolle Beschäftigung, etwa in Hotelzimmern oder auf Reisen.
  • Ausgeprägte Wettbewerbsmentalität: Der ständige Reiz des Gewinnens findet im Glücksspiel einen gefährlichen Ersatz.
  • Gewohnheit und Gruppendruck innerhalb der Teams: Kartenrunden oder andere Glücksspiele sind in vielen Kabinen Alltag – von dort ist der Übergang zum Online-Glücksspiel fließend.
  • Lückenlose Verfügbarkeit durch Smartphones: Wett-Apps ermöglichen ununterbrochenes Setzen, völlig anonym.

Diese Kombination aus Geld, Druck und ständiger Verfügbarkeit schafft ein Umfeld, in dem die Grenze zwischen Spaß, den beste Online Casinos mit seriösen Wettangeboten versprechen, und Sucht schnell verschwimmt. Ohne gezielte Aufklärung und psychologische Begleitung bleibt das Risiko hoch, dass aus harmlosen Wetten ein ernstes Problem wird.

Bekannte Fälle im Profifußball:

Spieler Verein (Stand 2025) Jahr Vergehen / Strafe
Sandro Tonali Newcastle United 2023 Wetten auf Spiele seiner früheren Vereine, Beteiligung an illegalen Plattformen. 10 Monate Sperre wegen Fußballwetten, Teilnahme an Spielsucht-Therapie, Geldstrafe.
Nicolò Fagioli AC Florenz 2023 Illegale Plattformen, Wetten auf Spiele (nicht unbedingt des eigenen Vereins). 7 Monate Sperre wegen illegaler Fußballwetten (teilweise ausgesetzt), Therapieprogramm, Geldstrafe.
Ivan Toney Al-Ahli SFC 2023 262 Verstöße gegen Wettregeln, darunter Wetten auf Spiele des eigenen Vereins. 8 Monate Sperre, Diagnose „Glücksspielproblem“, Geldstrafe.
Joey Barton 2017 Hunderte Wettverstöße über Jahre hinweg. 18 Monate Sperre (später auf 13 reduziert).
Andros Townsend Kanchanaburi Power FC 2013 Wetten auf nicht von ihm gespielte Partien. 4 Monate Sperre.
Daniel Sturridge 2020 Weitergabe von Insiderinformationen. 4 Monate Sperre.
Kieran Trippier Newcastle United 2020 Wetthinweise an Freunde. 10 Wochen Sperre.

Systemfehler im Fußball: Allgegenwärtige Werbung trotz strenger Vorgaben

Auf dem Papier herrschen klare Regeln: Nach den Statuten aller großen Verbände sind Sportwetten auf sämtliche Fußballspiele für Profis streng untersagt. Prominente Beispiele wie Ivan Toney leiden unter harten Sanktionen, auch Sandro Tonali wurde nach Bekanntwerden eigener Wettsünden gesperrt. Trotzdem hält der Fußball weiterhin enge wirtschaftliche Beziehungen zu Glücksspielunternehmen:

  • Sponsoring: Trikots von Vereinen in England, Spanien und Italien sind regelmäßig mit Logos von Wettanbietern versehen.
  • Visuelle Präsenz: Digitale Bandenwerbungen und Eingangsbereiche vieler Stadien sind mit Slogans und Odds geschmückt.
  • Mediale Dauerpräsenz: Im privaten Fernsehen laufen einträgliche Werbespots und Spielübertragungen werden mit Quoten beworben.

Spielern wird eine absolute Nulltoleranz abverlangt, während die Vereine dank Glücksspielpartnern Millionen einstreichen. Diese widersprüchliche Haltung wird von Kritikern seit Jahren als unglaubwürdig bezeichnet.

Zwischen Kommerz und Kontrolle: Die enge Verflechtung von Fußball und Wettindustrie in England

Die Beziehung zwischen dem englischen Profifußball und der Glücksspielbranche ist längst mehr als nur eine Partnerschaft. Es handelt sich hier um ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis. Sponsorenverträge mit Wettanbietern und Echtgeld Online Casinos, Trikotwerbung und digitale Anzeigen haben die Stadien und Bildschirme erobert.

Allein in der Premier League trugen in der Saison 2023/2024 acht Vereine einen Wettanbieter auf der Brust, weitere zwei auf dem Ärmel. Auch in der zweiten Liga, der English Football League, ist SkyBet seit Jahren Hauptsponsor und omnipräsent.

Diese wirtschaftliche Nähe ist hochprofitabel, aber auch problematisch. Während der englische Fußballverband (FA) seinen Spielern das Wetten auf Fußball strengstens untersagt, generieren dieselben Vereine Millionen über Glücksspielwerbung. Das Beispiel von Ivan Toney, der wegen über 200 Wettverstößen für acht Monate gesperrt wurde und später mit einer Spielsucht diagnostiziert wurde, verdeutlicht diesen Widerspruch. Die Botschaft an Spieler ist doppeldeutig: Wetten ist verboten, aber allgegenwärtig.

Forscher und Organisationen wie Smith et al. (2024) betonen, dass diese Konstellation nicht nur individuelle Spieler gefährdet, sondern auch die Glaubwürdigkeit des Sports selbst. Der Fußball wird zu einer Werbeplattform für Produkte, die gleichzeitig seine Akteure in die Abhängigkeit treiben. Studien zeigen, dass etwa 13% der englischen Fußballfans mindestens einmal pro Woche online wetten, und dass junge Männer zwischen 18 und 34 Jahren besonders gefährdet sind.

Einige Vereine und Faninitiativen beginnen gegenzusteuern: Norwich City und Chelsea FC brachen jüngst Sponsoringverträge mit Online Casinos ab, nachdem Fans gegen intransparente oder sexuell aufgeladene Werbung protestiert hatten. Auch Bewegungen wie „The Big Step“ fordern ein vollständiges Verbot von Wettwerbung im Fußball.

Doch bislang setzen die Ligen auf Selbstregulierung, eine Lösung, die Kritiker als „zahnlos“ bezeichnen. Solange der Sport von den Einnahmen der Wettindustrie profitiert, bleibt jede Reform ein Balanceakt zwischen Moral und Marktinteresse.

Der blinde Fleck der Verantwortung: Warum Selbstregulierung in England versagt

Selbstverpflichtungen und symbolische Werbebeschränkungen haben die Glücksspielindustrie kaum gebremst. Das sogenannte „Whistle-to-Whistle“-Verbot, das TV-Werbung während Live-Spielen vor 21 Uhr einschränken soll, zeigt wenig Wirkung. Denn die meisten Logos und Hinweise auf Wettanbieter erscheinen ohnehin direkt im Stadion. Sie sind auf LED-Banden, Trikots oder digitalen Grafiken zu sehen. Während Belgien, Spanien und Italien gesetzliche Verbote von Glücksspielwerbung eingeführt haben, bleibt England der wohl liberalste Markt Europas.

Die Autoren des englischen Fachartikels argumentieren, dass Selbstregulierung strukturell scheitert, weil wirtschaftliche Interessen mit sozialer Verantwortung kollidieren. Der Auftrag der Wettunternehmen lautet Profitmaximierung und nicht Prävention. Slogans wie „When the fun stops, stop“ sollen Verantwortungsbewusstsein suggerieren, lenken jedoch vom eigentlichen Problem ab: dem designbedingten Suchtpotenzial der Produkte. Ein Blick in andere Länder zeigt, dass Regulierung besser funktioniert:

  • Belgien: Verbot von Glücksspielwerbung in allen öffentlichen Medien seit Juli 2023; vollständiges Sponsoringverbot ab 2028.
  • Niederlande: Keine Wettwerbung im Fernsehen oder auf Social Media für Personen unter 24 Jahren; Sponsoringverbot ab 2025.
  • Italien: Komplettes Werbeverbot seit 2019, mit Ausnahme der staatlichen Lotterie.
  • Spanien: Glücksspielwerbung nur zwischen 1 und 5 Uhr nachts erlaubt.

England bleibt hingegen auf freiwillige Abkommen angewiesen. Die Premier League will Trikotsponsoring durch Wettanbieter erst ab 2026 schrittweise auslaufen lassen, doch Pitchside- und Online-Werbung bleiben erlaubt.

Experten warnen, dass dies den Kern des Problems nicht löst. Spieler und Fans werden weiterhin in einer Umgebung sozialisiert, in der Glücksspiel als normal und alltäglich gilt. Eine echte Entkoppelung von Fußball und Wettindustrie erfordert politische Entschlossenheit, nicht bloß PR-Kampagnen. Die Autoren fordern daher, die Verantwortung weg vom einzelnen Spieler hin zu den Institutionen zu verlagern. Dazu zählen Verbände, Vereine und Regierungen, die die Macht hätten, das System zu verändern.

Fazit: Ein strukturelles Problem

Aktuelle Studien, steigende Zahlen von Hilfesuchenden und der ständige Strom neuer Skandale machen deutlich, dass Glücksspielsucht und Wettvergehen im Profifußball fest verankert sind. Das Problem ist weit mehr als nur eine Randnotiz.

Der Sport erzeugt durch ein toxisches Gemisch aus enormen Geldsummen, extremen psychischen Belastungen und der Omnipräsenz der Glücksspielbranche ein Umfeld, in dem Risiken außerordentlich hoch sind. Die Verantwortung liegt bei den Verbänden und Klubs, nicht mehr die Augen zu verschließen und den offensichtlichen Interessenkonflikt zwischen Profitsucht und eigener Integrität entschieden anzugehen. Die jüngsten Enthüllungen sind Warnsignal und Gelegenheit, grundlegende Reformen einzuleiten.

Markus Belz - Redaktionsleiter bei onlinecasinosdeutschland.de
Markus Belz Redaktionsleiter bei
Markus Belz, geboren 1984 in Berlin, ist Redaktionsleiter bei onlinecasinosdeutschland.de und lebt in Frankfurt. Er liebt Radfahren, Fußball und Poker. Seine Leidenschaft für Glücksspiele begann in Las Vegas. Seit 2012 im Team, leitet er es seit 2014. Mit seinem Motto „Jeder ist seines Glückes Schmied“ liefert er verlässliche Infos über Online Casinos.

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