Avi Fichtner Gründer und Autor

Veröffentlicht am: 01.10.2025

Eine goldene Justitia-Statue mit Schwert und Waage vor einer wehenden EU-Flagge.

Prozess gegen Tipico: Tausende Kunden fordern verlorene Wetteinsätze zurück

Lesezeit: ca. 8 min
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Das Wichtigste in Kürze:
  • Zwischen 2013 und 2021 operierten viele Wettanbieter wie Tipico ohne deutsche Lizenz, wodurch Spieler Rückforderungen nach § 134 BGB geltend machen und es um Verluste in Milliardenhöhe geht.
  • Der BGH legte den Fall dem EuGH vor, der am 24. September 2025 die Verhandlung aufnahm und dessen Urteil ab 2026 die Basis für tausende deutsche Verfahren bilden soll.
  • Tipico verweist auf seine maltesische Lizenz und EU-Dienstleistungsfreiheit, während Kläger und Prozessfinanzierer Gamesright auf die Nichtigkeit der Verträge und Rückzahlung der Einsätze pochen.

Der juristische Streit um die Rückzahlung von Online-Sportwettenverlusten erreicht die europäische Ebene. Im Zentrum: der Präzedenzfall zwischen dem Prozessfinanzierer Gamesright und dem größten deutschen Wettanbieter Tipico. Im Raum stehen Forderungen in Milliardenhöhe, tausende laufende Zivilverfahren in Deutschland und die Grundsatzfrage, wie mit Wetten umzugehen ist, die vor Erteilung deutscher Lizenzen abgeschlossen wurden.

Krimi in der Sportwetten-Branche: Worum es rechtlich geht

Im Kern geht es um Online-Sportwetten in Deutschland in den Jahren 2013 bis 2021. Zahlreiche Wettanbieter waren in diesem Zeitraum ohne deutsche Lizenz aktiv. Die Spielerseite leitet daraus ab, dass die zwischen Anbieter und Spielern geschlossenen Verträge nichtig sind. Als Rechtsgrundlage wird § 134 BGB angeführt, der Verträge verbietet, die gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen. Folgenannte Rechtsfolge: Rückzahlung der Einsätze.

Der Fall ist jedoch komplexer, weil die Vergabe nationaler Lizenzen in Deutschland über Jahre Gegenstand heftiger rechtlicher Auseinandersetzungen war. Es steht der Vorwurf im Raum, dass die zuständigen Behörden die Vergabeverfahren unionsrechtswidrig – insbesondere intransparent – gestaltet haben. Genau an dieser Stelle setzt die Vorlagefrage an: Verstößt es gegen EU-Recht, Sportwetten Verträge allein wegen fehlender deutscher Lizenz als nichtig zu behandeln, wenn die Lizenzvergabe selbst gegen Unionsrecht verstoßen hat?

Der EuGH hat in einem strafrechtlichen Kontext bereits 2016 entschieden, dass Anbietern, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat lizenziert sind, das Fehlen einer deutschen Erlaubnis nicht entgegengehalten werden darf, sofern das deutsche Vergabeverfahren intransparent und somit unionsrechtswidrig war. Die jetzt zu klärende Frage lautet, inwieweit diese Linie auf zivilrechtliche Rückforderungsansprüche übertragbar ist.

Regulatorischer Hintergrund

Der größte deutsche Wettanbieter Tipico, welcher auch als seriöses Online Casino operiert, hat nach eigener Darstellung eine maltesische Sportwettlizenz seit 2004 genutzt und sich auf die Dienstleistungsfreiheit des Binnenmarkts berufen. Eine deutsche Lizenz erhielt das Unternehmen im Jahr 2020.

Gleichzeitig trat erst 2021 mit dem Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV 2021) eine bundesweit einheitliche Regelung für Wettanbieter und deutsche Casinos in Kraft. Davor war der Markt von wechselnden politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen geprägt. In den Verfahren wird daher zum einen die fehlende deutsche Konzession thematisiert, zum anderen die Frage, inwieweit es in den betreffenden Jahren überhaupt eine rechtssichere Möglichkeit gab, eine solche zu erlangen.

Prozess gegen Tipico: Verfahrensstand und Zeitplan

Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hatte Anfang 2024 einen Hinweisbeschluss erlassen, der die Rechtsposition von Spielern stützte. Danach neigt das Gericht dazu, Sportwettenverträge ohne deutsche Konzession als nichtig zu bewerten.

Kurz darauf setzte der BGH das Verfahren aus und legte dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mehrere Fragen im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens vor. Damit ruht das Karlsruher Verfahren, bis aus Luxemburg ein verbindlicher Rahmen für die Auslegung des Unionsrechts vorliegt.

Der EuGH-Termin für die mündliche Verhandlung wurde auf den 24. September 2025 festgesetzt. Diese Ansetzung erfolgte früher als zuvor erwartet. Ursprünglich war mit einem Start im November gerechnet worden. Dieser Termin stellt den offiziellen Auftakt der europäischen Phase in diesem Verfahren.

Das Verfahren kam durch Vorlage des BGH zustande. Aus den Vorlagen und den öffentlichen Stellungnahmen ergibt sich: Nach Abschluss des Vorabentscheidungsverfahrens kehrt der Fall an den BGH zurück, der dann unter Beachtung der Luxemburger Vorgaben entscheidet. In Berichten ist von einem Urteil des EuGH im Laufe des Jahres 2026 die Rede.

Gamesright vs. Tipico: Positionen der Parteien

Gamesright, Co-Gründer „Hannes Beuck“, hält die Rechtslage klar: Zwischen 2013 und 2021 waren viele Sportwettenanbieter ohne gültige Lizenz aktiv, ihre Angebote damit verboten. Verträge mit diesen Wettanbietern sind nach § 134 BGB nichtig, was bedeutet, dass Verluste zurückgefordert werden können.“

In der öffentlichen Kommunikation zum bevorstehenden Termin in Luxemburg sagte Beuck: „Wir begrüßen die Terminierung durch den EuGH ausdrücklich. Dass unser Verfahren als erstes dieser Tragweite vor dem höchsten Europäischen Gerichtshof verhandelt wird, bestätigt unseren Kurs.“

Bereits zuvor hieß es aus dem Umfeld von Gamesright: „Das verbotene Verhalten der Anbieter kann nicht folgenlos bleiben. Nur wenn illegale Wetten rückabgewickelt werden, gibt es einen sicheren und fairen Online Sportwetten Markt, in dem Verbraucherinnen und Verbraucher auch in Zukunft geschützt sind.“

Tipico widerspricht dieser Lesart grundlegend. Ein Sprecher erklärte: „Wir gehen davon aus, dass sich der EuGH an seiner bisherigen Rechtsprechung orientiert und somit auch diesmal in unserem Sinne entscheidet.“ In weiteren Stellungnahmen hieß es, man blicke der Klärung durch den EuGH zuversichtlich entgegen.

Geschäftsführer „Axel Hefer“ argumentierte gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, man habe „auf Grundlage der EU-rechtlichen Regelungen das Richtige gemacht“ und Steuern auf Einsätze und Einnahmen abgeführt.

Versäumnisse sieht Hefer bei den Behörden, denn nach seiner Darstellung wären deutsche Behörden auch vor 2020 in der Lage gewesen, Lizenzen zu erteilen. Dies sei jedoch nur unvollständig und zeitlich verzögert umgesetzt worden.

Gamesright und das Geschäftsmodell hinter den Klagen

Gamesright agiert als Prozessfinanzierer und, in Einzelfällen, als Inhaber abgetretener Ansprüche. Im Leitverfahren gegen Tipico führt das Unternehmen den Prozess, nachdem es die Forderung des ursprünglichen Klägers übernommen hat. Parallel dazu kooperiert Gamesright mit Kanzleien, vermittelt Mandate und übernimmt Prozesskosten gegen eine Erfolgsbeteiligung.

Zu den Konditionen äußerte sich Hannes Beuck öffentlich: „Eine Vorprüfung möglicher Rückforderungsansprüche sei kostenlos und unverbindlich. Für Kunden bestehe kein Kostenrisiko, da mit Erfolgshonorar gearbeitet werde.“

Aus der Praxis leitete Beuck ab, dass sich eine Geltendmachung typischerweise ab einem Verlust von etwa 2.000 Euro wirtschaftlich rechnet. Je höher der Verlust, desto eher rechtfertigt sich der Aufwand von Anspruchsdurchsetzung und Beweisführung. Die Anspruchsgruppe umschreibt Gamesright als in Deutschland ansässige Personen, die in einem bestimmten Zeitraum online Sportwetten Verluste erlitten haben.

Dimension des Konflikts: Verfahren und Höhe der Rückforderungssummen

Nach den vorliegenden Berichten laufen in Deutschland tausende Zivilverfahren wegen Rückforderungen von Online Sportwetten-Verlusten. Erste Urteile zugunsten von Spielern wurden bereits gefällt. Als Bezugsrahmen nennen Klägervertreter und Prozessfinanzierer den Zeitraum 2013 bis 2021. In dieser Spanne erfolgten die meisten strittigen Online-Wettabschlüsse ohne deutsche Lizenz.

Der Leitprozess in Luxemburg betrifft Tipico, doch auch andere Anbieter wie Betano und bwin standen bereits im Fokus rechtlicher Auseinandersetzungen. Die meisten Wettanbieter in Deutschland gelten jedoch als unauffällig, darunter auch zahlreiche beste Klarna Online Casinos mit Sportwetten Angebot.

Beim potenziellen finanziellen Umfang der Rückforderungen ist von einem Volumen in Höhe von bis zu 20 Milliarden Euro die Rede. Diese Zahl ist eine Größenordnung aus der Debatte um flächendeckende Rückabwicklungen und stammt aus den Aussagen von Branchenakteuren, die die Summe in den Raum stellen.

Unabhängig von der letztlichen Summe steht fest: Der finanzielle und rechtliche Druck auf die Branche ist erheblich, nicht zuletzt wegen der hohen Zahl paralleler Verfahren und der möglichen Signalwirkung eines EuGH-Urteils für die Zivilgerichte.

Verfahren in Luxemburg: Was tatsächlich auf dem Spiel steht

Die praktische Reichweite des Luxemburger Verfahrens ist erheblich. In der Summe hängen tausende Streitigkeiten an der Antwort, wie mit Verträgen umzugehen ist, die in der Vergangenheit ohne deutsche Lizenz geschlossen wurden. Ein Teil der Zivilrechtsprechung hat bereits zugunsten von Spielern entschieden, andere Gerichte warten den Ausgang in Luxemburg ab.

Der Zeitraum 2013 bis 2021 bildet den Fokus der meisten Klagen. Tipico erhielt 2020 eine deutsche Konzession, die umfassende Neuregelung des Online-Glücksspiels erfolgte 2021 mit dem GlüStV 2021.

Auf Seiten der Unternehmen wird die Verbindung aus maltesischer Lizenz, europäischer Dienstleistungsfreiheit und den Mängeln der deutschen Vergabeverfahren betont. Auf Seiten der Kläger steht die Linie, dass national fehlende Konzessionen das Geschäft untersagten und damit die Rückabwicklung der Einsätze aus nichtigen Verträgen eröffneten.

Dass in Deutschland Steuern auf Sportwetten gezahlt wurden, ist unstreitig und wird auch von Tipico hervorgehoben. Für die zivilrechtliche Beurteilung der Vertragsnichtigkeit ist das jedoch nicht entscheidend, sondern die unionsrechtliche und nationale Normenlage zur Erlaubnispflicht und zur Transparenz staatlicher Vergaben.

Beginn einer neuen Ära oder alles beim Alten?

Die Vorlagefragen sind gestellt, und die betroffenen Zeiträume sowie Akteure sind benannt. Nun liegt der Fokus bei den Verhandlungen auf den nationalen Zivilkammern, die entweder weiter entscheiden oder Verfahren aussetzen, und auf der Argumentationsschärfung der Beteiligten im Luxemburger Verfahren.

Eines ist Fakt: Mit dem Luxemburger Urteil wird eine zentrale Lücke geschlossen, die seit Jahren für widersprüchliche Entscheidungen und einen hohen Grad an Rechtsunsicherheit sorgt.

Avi Fichtner - Gründer von onlinecasinosdeutschland.de
Avi Fichtner Gründer von
Avi Fichtner ist der Gründer und einer der Autoren von onlinecasinosdeutschland.de. Seit Jahren beschäftigt er sich intensiv mit den rechtlichen Aspekten von Online Casinos in Deutschland. Neben der Entwicklung der Webseite leitet Avi ein Team, das aktuelle und fundierte Informationen bereitstellt, damit Leser gut informiert sind.

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